04.10.2005
BAG Pressemitteilung Nr. 64/05 zu Annahmeverzug und Schadensersatz bei Schwerbehinderung

BAG Pressemitteilung Nr. 64/05 zu Annahmeverzug und Schadensersatz bei Schwerbehinderung

Der Arbeitgeber hat Annahmeverzugslohn zu zahlen, wenn er die vom Arbeitnehmer geschuldete

Arbeitsleistung nicht annimmt (§§ 615, 293 ff. BGB). Das gilt auch dann, wenn den

Arbeitgeber an der Nichtbeschäftigung kein Verschulden trifft. Kein Annahmeverzug wird

begründet, wenn der Arbeitnehmer außerstande ist, die an dem zugewiesenen Arbeitsplatz

anfallenden Tätigkeiten auszuführen (§ 297 BGB). Kann der Arbeitnehmer davon nur einen

Teil verrichten, gerät der Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug, es sei denn, dem Arbeitnehmer

kann ein anderer Arbeitsplatz zugewiesen werden, den dieser ausfüllen kann (§ 106

GewO). Der Arbeitgeber ist regelmäßig nicht gehalten, dazu seine Arbeitsorganisation zu

ändern oder den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers mit technischen Arbeitshilfen auszustatten.

Derartige Pflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus dem Schwerbehindertenrecht. Der

Arbeitgeber ist nach § 81 Abs. 4 Ziff. 1, 4 und 5 SGB IX zur behinderungsgerechten Ausgestaltung

eines Arbeitsplatzes verpflichtet. Er macht sich schadensersatzpflichtig, wenn er

diese Pflichten schuldhaft verletzt. Er schuldet dann die entgangene Vergütung als Schadensersatz

nach § 280 BGB iVm. § 81 Abs. 4 SGB IX, es sei denn, die behinderungsgerechte

Einrichtung des Arbeitsplatzes wäre ihm unzumutbar oder sie wäre mit unverhältnismäßigen

Aufwendungen verbunden (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX).

Der mit einem Grad von 50 behinderte Kläger ist seit 1997 bei der beklagten Stadt als Arbeiter

angestellt. Auf Grund einer im Jahr 2000 eingesetzten Kniegelenksprothese war sein

rechtes Bein nicht voll belastbar. Insbesondere durfte er nicht mehr als 15 kg heben und tragen.

Auf den Arbeitsplätzen, auf denen er zuletzt eingesetzt war (Wertstoffhof; Containerstellplatzreinigung)

waren zum Teil erheblich schwerere Gegenstände zu heben und zu tragen.

Die Stadt lehnte seine Beschäftigung Mitte August 2001 auf Dauer ab, weil der Kläger

wegen der Behinderung seine Arbeitspflicht nicht erfüllen könne. Der Kläger hat seine Vergütungsansprüche

für die Zeit von Mitte August 2001 bis einschließlich April 2002 geltend

gemacht.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem

Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen Ansprüche

aus Annahmeverzug verneint. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass Ansprüche

auf Schadensersatz wegen entgangener Vergütung - jedenfalls für einen Teil des

Anspruchszeitraums - bestehen. Deshalb hat der Senat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

aufgehoben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 9. August 2004 - 8 (17) Sa 1416/02 -